Donnerstag, 5. Februar 2009

Der Staat, die Banken und der Kredit

Auch wenn die De-Regulierung das Problem ist:
Ist die Regulierung die Lösung?


1.
In ihrem Politiktalk merkte kürzlich Anne Will verwundert an, dass bislang der Staat sich Geld bei den Banken beschaffte, und nun umgekehrt sich die Banken Geld beim Staat beschaffen. Dieser Widerspruch wurde von den Diskutanten am Podium nicht angesprochen. Sehen sie diesen nicht, oder wollen sie ihn nicht sehen?

Es stellt sich die Frage: Wer hat wirklich das Geld?. Es kann nur einer sein. Der Widerspruch hebt sich allerdings dann auf, wenn keiner von beiden das Geld hat. Denn es ist nur eine Metapher, wenn es heißt: Das Geschäft der Banken ist eines mit Geld. Es ist eines mit Verträgen: Der Vertrag, mit dem die Bank dem Kunden A Kredit – Vertrauen - zuspricht und damit nun eine Forderung gegen ihn hält. Und auf der anderen Seite, in dem die Bank eine Verbindlichkeit gegenüber einem anderen Bankkunden B auf sich nimmt, der damit eine Forderung gegen die Bank hält. Oder wie es in der Bilanz festgehalten ist: Auf der linken Bilanzseite der Kredit als Verbindlichkeit des Kunden A, auf der rechten Seite Geld als Forderung des Kunden B.
Dass diese Verträge nun aber eingehalten werden, dafür sorgt der Rechtsstaat, der verfassungsgemäß das Eigentum zu schützen hat. Pacta sunt servanda. Damit wird der Staat der eigentliche Kreditgeber, der creditor of the last ressort, der hinter den Banken steht und für dieses Geschäft mit dem Vertrauen erst die Basis schafft.

Diese rechtliche Gegebenheit eines creditors of the last ressort macht sich auch der Vorschlag einer „Bad Bank“ zunutze, der all die toxischen oder faulen Kredite, die sich in den Büchern der Geschäftsbanken finden, übertragen werden sollen. Sie soll mit den bei den Geschäftsbanken aufgenommenen Krediten – welche die Bad Bank nur dann bekommt, wenn hinter ihr der Staat steht - kann sie dann den Banken die toxischen Kreditforderungen abkaufen.
Das alles sind nur Buchungsvorgänge: In den Büchern der Bank wird der faule Kredit ausgebucht und eine Forderung gegen die Bad Bank eingebucht. Diese Forderung wiederum spiegelt sich in den Büchern der Bad Bank als Verbindlichkeit gegenüber der Kredit gebenden Bank, der die toxische Forderungen als „Bad Asset“ gegenüber stehen.

Nun aber ist auch für die Bad Bank bzw. dahinter den Staat dieses Bad Asset uneinbringlich. Der Schritt zum Handelsgericht bleibt aber dem Staat als creditor of the last ressort erspart
Der Staat ist aber nur solange ein infallibler Schuldner, als die Forderungen in der Landeswährung nominiert sind.

Der Geschäftsbank ist es nun möglich, eine ordentliche Bilanz zu erstellen, dies jedoch nur durch eine trickreiche Nutzung des Vertrauens auf den Rechtsstaat, auf dem die ganze Geldwirtschaft aufbaut. Es ist der gleiche Trick , den die Geschäftsbanken bei einer Uneinbringlichkeit von bestimmten Krediten anwenden. Genau genommen ist die Bad Bank auch eine außerbilanzielle Rechtsperson, wie sie die Geschäftsbanken nutzen. Dabei halten die Geschäftsbanken scheinbar gesunde Forderungen gegen diese Rechtspersonen, womit sie nun ohne Wertberichtigungen bilanzieren können. Dieses so durch „intelligente“ Buchhaltung „geschaffenen“ Vermögen ermöglicht es den Banken, weiter Kredite zu gewähren.

Wenn folglich diese außerbilanziellen Konstrukte mit einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte verboten werden, dann müsste das eigentlich auch für die Bad Bank zutreffen.


2.
Nun sind ja mit diesen faulen bzw. mit den vom Staat aufgenommenen Krediten nicht einfach nur Löcher in den Boden gegraben, und diese dann wieder zugeschüttet worden. Vielmehr wurden sowohl im privaten wie auch im staatlichen Bereich viele materielle Werte geschaffen. In den USA wurden mit den jetzt uneinbringlichen Immobilienkrediten Wohnhäuser gebaut, mit Konsumkrediten Anschaffungen getätigt, Autos gekauft. Der Staat bzw. dessen ausgelagerten Gesellschaften haben in Österreich neue Bahnhöfe und Schienenwege errichtet, Straßenbahnen und U-Bahn erweitert und modernisiert, Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen, neue Straßen und Brücken errichtet …. Unsere Gesellschaft ist insgesamt reicher geworden. Das, wofür sich der Staat verschuldet hat, ist meist gemeinschaftliches Lohneinkommen, allerdings nicht in Geldform, sondern als Fruchtgenuss aller.

Andererseits wird gerne darauf verwiesen, dass in den letzten Jahren die Kapitaleinkommen und die Vermögen wesentlich stärker gewachsen sind als die Lohneinkommen, die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen sich außerordentlich vergrößert hat.

Nun entsteht Geldvermögen aber nicht (allein) aus einer Umverteilung von den Lohneinkommen hin zu den Kapitaleinkommen, sondern ist Geldvermögen der buchhalterische Reflex der Verschuldung durch Kreditaufnahme. Geldvermögen ist in der Bilanz alles, was auf der rechten Seite dieser steht.

Ein Teil dieser aufgenommenen Kredite wird für Löhne und damit für Konsumausgaben verwendet, und damit der entsprechende Teil der Kredite relativ kurzfristig wieder getilgt. Dieser Teil des Geldvermögens wird schlechthin als Geld bezeichnet. Der andere Teil der für Investitionen verwendeten Kreditaufnahmen der Unternehmen bleibt aber langfristig bestehen, da ja die Investitionen erst in längerer Frist abgeschrieben werden.
Die diesen Forderungen der Bank nun gegenüber stehenden Verbindlichkeiten bilden im allgemeinen Sprachgebrauch das Geldvermögen. Normalerweise findet auch hier eine Umwälzung von Alt auf Neu statt, dies aber mit Zeitverzögerung. Zu einer Akkumulation von Geldvermögen kommt es dabei allein mit der Maßgabe, als die neuen Kredite höher sind als die alten. Dieses Wachstum der Kredite und damit der Nachfrage ist ja erforderlich, um die schon fertigen Produkte zu einem Preis höher als die ursprünglichen Kosten verkaufen zu können.

Zusammengefasst: Geldvermögen entsteht überall dort, wo Kredite für Investitionen aufgenommen werden. Werden im Laufe der Zeit die alten Kredite mit der Aufnahme von neuen Krediten nicht getilgt, kommt es zu einer Akkumulation der Schulden. Und damit als Reflex zur Akkumulation von Vermögen. Diese Umstände sind bislang bei der Aufnahme von Krediten durch den Staat praktisch gegeben.

Fazit: Der Staat trägt durch das deficit spending zum starken Wachstum des Geldvermögens bei. Das gleiche gilt für Kredite, die sich dann später als uneinbringlich erweisen. So lange Kredite wegen Uneinbringlichkeit stehen bleiben und akkumulieren, kommt es zwangsläufig auch zu einer Akkumulation von Verbindlichkeiten der Bank – also von Geldvermögen.


3.

All die Vorschläge mit dem Ziel, die in eine Schieflage geratenen Banken von staatlicher Seite her so zu unterstützen, so dass sie wieder ordnungsgemäß bilanzieren können, haben – wie schon festgehalten - eines gemeinsam: Die Aufnahme von Krediten bei den Banken durch den Staat. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Bank verstaatlicht wird. Auch in diesem Fall muss der Staat Kredite bei den Banken aufnehmen, um die Eigentümer bzw. Aktionäre der Bank zumindest mit dem gegenwärtigen Kurs zwangsweise abzulösen.
Wobei der Staat wiederum seine rechtliche Kreditwürdigkeit nützt, wiewohl er die faktische meist nicht erfüllen kann.
Nur vermittels dieser rechtlichen Kreditwürdigkeit kann aber der Staat auf die Bilanzen der Banken so Einfluss nehmen, dass diese ordnungsgemäß abgeschlossen werden können und der Gang zum Handelsgericht erspart bleibt. Hierfür aber müsste nun der Staat bei den Banken keine Kredite aufnehmen. Vielmehr kann er selbst die Papiere begeben, die seine Haftung dokumentieren und bei entsprechender technischer Ausgestaltung auch die Zahlungsmittelfunktion rechtlich und technisch erfüllen.
Diesbezüglich haben wir bereits – noch unter anderen konjunkturellen Voraussetzungen - den Vorschlag der Emission von Steuergutschriften (Taxos) ausgearbeitet. (www.taxos.info)

Gerade in der derzeitigen Notlage der Banken öffnet sich ein Zeitfenster, welches die Einführung der Taxos begünstigt und den Widerstand der Banken schwinden lässt. Der Staat kauft sich – wie bereits vorgeschlagen - in die Banken zur Verbesserung deren Eigenmittelausstattung ein. Aber nicht mit bei den Banken selbst aufgenommenen Geld, sondern mit Taxos. Die Bank hält damit Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat in Form von Taxos, die sie vorerst einmal bei Zahlungen an den Staat verwenden kann. Und da nun auch die Bankkunden mit der Zeit lernen, dass sie ihre Steuern und Abgaben mit Taxos begleichen können, sind auch sie bereit, einen Teil der Zahlungen an sie in Form von Taxos entgegen zu nehmen.
Außerdem könnte für den Fall, dass eine konkrete Bank in das mehrheitliche Eigentum das Staates kommt, so gleich deren Infrastruktur zum weiteren Ausbau dieses Vorschlages verwendet werden und müsste nicht erst aufgebaut werden.

Damit aber wäre auch ein erster Schritt zur Schaffung eines zum Geld parallelen Zahlungsmittels getan, das unabhängig vom Bankensystem und dessen Wohlergehen ist. Vielleicht reicht noch die Zeit, damit eine Institution soweit wirksam werden zu lassen, dass ein Absturz des Geldsystems ins Bodenlose verhindert werden kann.


4.
Schuld an der Finanzmarkkrise ist – so der allgemeine Tenor – der Neoliberalismus, der die Regulierung der Finanzmärkte weitgehend beseitigt, sie liberalisiert hat. In Zukunft müssten deshalb wieder strengere Regeln aufgestellt und ihre Einhaltung kontrolliert werden.

Dass die gängige Praxis gescheitert ist, wissen wir nun. Was wir allerdings nicht wissen, ist, wie die Entwicklung gelaufen wäre, wenn die Regulative nicht beseitigt, sondern vielleicht sogar verstärkt worden wären. Es scheint ja nicht allein die viel zitierte Habgier zu sein, die zu einer Aufblähung der Finanzmärkte geführt hat. Hier wird die Ansicht vertreten, dass unsere Kreditwirtschaft eine ständige Ausdehnung der Kredite in der Zeit braucht (www.ernst-dorfner-1.blogspot.com), damit überhaupt gesamtvolkswirtschaftlich Gewinne geschrieben und Zinsen bezahlt werden können. Dieses Kreditwachstum ist aber schon vor Jahren durch eine zunehmende Sättigung der Gütermarkt schwächer worden. Hier taten sich nach der Globalisierung der Gütermärkte dann die Finanzmärkte auf, die eine Sättigung nicht oder noch nicht kannten.

Entgegen der herkömmlichen Meinung, dass die Finanzmärkte die Nachfrage von den Realgütermärkten hin zu den Finanzmärkten abgezogen haben, wird hier das Gegenteil vertreten. Nämlich, dass die Finanzmärkte die reale Wirtschaft gestützt und befördert haben. Mit dem Anwachsen des privaten Finanzvermögens einher ging auch eine positive Stimulierung der private Nachfrage vor allem in den oberen Preissegmenten. Das Geld saß lockerer. Darauf deutet ja die gegenwärtige Entwicklung hin, in der es zu einer Umkehrung der Situation kam. So folgte der Kreditkrise - mit dem Zusammenbruch der lockeren Kreditfinanzierungen - die Krise der Realwirtschaft nahezu im Gleichschritt.
So scheint es auch nicht gesichert, dass eine strengere Regulierung der Kredite und damit der Finanzmärkte einen positiven Einfluss auf die Realwirtschaft hat. Genau so ist ein negativer Einfluss möglich.

Aus dem heraus ergibt sich nun die Ansicht, dass der von Keynes vertretene Gedanke, demzufolge er „darauf gefasst (ist), dass der Staat, der die Grenzleistungsfähigkeit der Kapitalgüter auf lange Sicht und auf der Grundlage des allgemeinen sozialen Wohls berechnen kann, eine immer wachsende Verantwortung für die unmittelbare Organisation der Investition übernehmen wird“ nicht nur einen Ausweg aus der Depression ist, sondern bei zunehmender Sättigung der Realgütermärkte eine ständige Aufgabe für den Staat bleibt. Gleichermaßen könnte dies bei Investitionen für die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen notwendig werden, ist doch dort zu berücksichtigen, dass Skalenerträge nicht wirksam werden können. Die steigenden Investitionskosten bei im Wettbewerb sinkenden Stückpreisen werden durch Erhöhuder Produktionsmenge - und damit den Skalenerträgen - hereingespielt. Nachhaltigkeit verlangt nun auch hohe Investitionskosten, jedoch bei sinkender Produktionsmenge, was zu ansteigenden Stückpreisen und zur Minderung der Wettbewerbsfähigkeit nachhaltiger Produkte führt. Dies könnte durch Beteiligung des Staates an den Investitionskosten in Form von Steuergutschriften (Taxos) ausgeglichen werden.


Ernst Dorfner
Linz, 05.02.09

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