Donnerstag, 27. Januar 2011

Freitag, 27. Februar 2009

Die TAXOSbank

Nur Hannes Androsch und Klaus Raydl haben bislang in deutschen und österreichischen Talkshows das Wort „Bilanzen“ nicht nur ausgesprochen, sondern diese für die Analyse und Suche nach Auswegen als zentral thematisiert. Die Vorschläge zur Bekämpfung der Bankenkrise finden ja diesseits aller Ideologien auf der Aktiv- oder/und der Passivseite der Bankenbilanzen ihren realen Niederschlag. Damit wird erst klar, was etwa die Verstaatlichung der Hypo Real Estate.bedeutet, zu deren Agenden auch die Staats- und Infrastrukurfinanzierung zählt. Damit stehen auf der Aktivseite der HRE-Bilanz Verbindlichkeiten des Staates gegenüber der Bank, und auf der Passivseite Forderungen des Staates gegen die Bank. Der Staat ist also zugleich Schuldner und Gläubiger der Bank, womit die Angelegenheit zu einem überflüssigen Nullsummenspiel wird. Wenn der Staat über die HRE seine Investitionen finanziert, muss er daher nicht auf Geld zurückgreifen, das er über die Ausgabe von Staatsschuldscheinen erwirbt. Vielmehr kann der Staat seine Investitionen direkt mit den Schuldverschreibungen tätigen, wenn diese technisch als Umlaufmittel ausgestaltet werden. Sie können dann von ihren Empfängern als Zahlungsmittel für die Abführung von Steuern und Abgaben genutzt werden, womit ein Anschluss an den TAXOS-Vorschlag gegeben ist (der .wiederum das Wörgler Experiment als Vorbild hat).

In der Bilanz der HRE stehen dann auf der Aktivseite Forderungen des Staates, die in Form von Steuern und Abgaben wirksam sind, auf der Passivseite Verbindlichkeiten des Staates aus dem Zukauf von Lieferungen und Leistungen von der gesamten Wirtschaft.

Eine erste Anwendung könnte dies bei der Abfindung der Aktionäre der HRE durchgesetzt werden, die ja sowieso nicht ohne Rechtsstreit erfolgen wird.





Donnerstag, 5. Februar 2009

Der Staat, die Banken und der Kredit

Auch wenn die De-Regulierung das Problem ist:
Ist die Regulierung die Lösung?


1.
In ihrem Politiktalk merkte kürzlich Anne Will verwundert an, dass bislang der Staat sich Geld bei den Banken beschaffte, und nun umgekehrt sich die Banken Geld beim Staat beschaffen. Dieser Widerspruch wurde von den Diskutanten am Podium nicht angesprochen. Sehen sie diesen nicht, oder wollen sie ihn nicht sehen?

Es stellt sich die Frage: Wer hat wirklich das Geld?. Es kann nur einer sein. Der Widerspruch hebt sich allerdings dann auf, wenn keiner von beiden das Geld hat. Denn es ist nur eine Metapher, wenn es heißt: Das Geschäft der Banken ist eines mit Geld. Es ist eines mit Verträgen: Der Vertrag, mit dem die Bank dem Kunden A Kredit – Vertrauen - zuspricht und damit nun eine Forderung gegen ihn hält. Und auf der anderen Seite, in dem die Bank eine Verbindlichkeit gegenüber einem anderen Bankkunden B auf sich nimmt, der damit eine Forderung gegen die Bank hält. Oder wie es in der Bilanz festgehalten ist: Auf der linken Bilanzseite der Kredit als Verbindlichkeit des Kunden A, auf der rechten Seite Geld als Forderung des Kunden B.
Dass diese Verträge nun aber eingehalten werden, dafür sorgt der Rechtsstaat, der verfassungsgemäß das Eigentum zu schützen hat. Pacta sunt servanda. Damit wird der Staat der eigentliche Kreditgeber, der creditor of the last ressort, der hinter den Banken steht und für dieses Geschäft mit dem Vertrauen erst die Basis schafft.

Diese rechtliche Gegebenheit eines creditors of the last ressort macht sich auch der Vorschlag einer „Bad Bank“ zunutze, der all die toxischen oder faulen Kredite, die sich in den Büchern der Geschäftsbanken finden, übertragen werden sollen. Sie soll mit den bei den Geschäftsbanken aufgenommenen Krediten – welche die Bad Bank nur dann bekommt, wenn hinter ihr der Staat steht - kann sie dann den Banken die toxischen Kreditforderungen abkaufen.
Das alles sind nur Buchungsvorgänge: In den Büchern der Bank wird der faule Kredit ausgebucht und eine Forderung gegen die Bad Bank eingebucht. Diese Forderung wiederum spiegelt sich in den Büchern der Bad Bank als Verbindlichkeit gegenüber der Kredit gebenden Bank, der die toxische Forderungen als „Bad Asset“ gegenüber stehen.

Nun aber ist auch für die Bad Bank bzw. dahinter den Staat dieses Bad Asset uneinbringlich. Der Schritt zum Handelsgericht bleibt aber dem Staat als creditor of the last ressort erspart
Der Staat ist aber nur solange ein infallibler Schuldner, als die Forderungen in der Landeswährung nominiert sind.

Der Geschäftsbank ist es nun möglich, eine ordentliche Bilanz zu erstellen, dies jedoch nur durch eine trickreiche Nutzung des Vertrauens auf den Rechtsstaat, auf dem die ganze Geldwirtschaft aufbaut. Es ist der gleiche Trick , den die Geschäftsbanken bei einer Uneinbringlichkeit von bestimmten Krediten anwenden. Genau genommen ist die Bad Bank auch eine außerbilanzielle Rechtsperson, wie sie die Geschäftsbanken nutzen. Dabei halten die Geschäftsbanken scheinbar gesunde Forderungen gegen diese Rechtspersonen, womit sie nun ohne Wertberichtigungen bilanzieren können. Dieses so durch „intelligente“ Buchhaltung „geschaffenen“ Vermögen ermöglicht es den Banken, weiter Kredite zu gewähren.

Wenn folglich diese außerbilanziellen Konstrukte mit einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte verboten werden, dann müsste das eigentlich auch für die Bad Bank zutreffen.


2.
Nun sind ja mit diesen faulen bzw. mit den vom Staat aufgenommenen Krediten nicht einfach nur Löcher in den Boden gegraben, und diese dann wieder zugeschüttet worden. Vielmehr wurden sowohl im privaten wie auch im staatlichen Bereich viele materielle Werte geschaffen. In den USA wurden mit den jetzt uneinbringlichen Immobilienkrediten Wohnhäuser gebaut, mit Konsumkrediten Anschaffungen getätigt, Autos gekauft. Der Staat bzw. dessen ausgelagerten Gesellschaften haben in Österreich neue Bahnhöfe und Schienenwege errichtet, Straßenbahnen und U-Bahn erweitert und modernisiert, Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen, neue Straßen und Brücken errichtet …. Unsere Gesellschaft ist insgesamt reicher geworden. Das, wofür sich der Staat verschuldet hat, ist meist gemeinschaftliches Lohneinkommen, allerdings nicht in Geldform, sondern als Fruchtgenuss aller.

Andererseits wird gerne darauf verwiesen, dass in den letzten Jahren die Kapitaleinkommen und die Vermögen wesentlich stärker gewachsen sind als die Lohneinkommen, die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen sich außerordentlich vergrößert hat.

Nun entsteht Geldvermögen aber nicht (allein) aus einer Umverteilung von den Lohneinkommen hin zu den Kapitaleinkommen, sondern ist Geldvermögen der buchhalterische Reflex der Verschuldung durch Kreditaufnahme. Geldvermögen ist in der Bilanz alles, was auf der rechten Seite dieser steht.

Ein Teil dieser aufgenommenen Kredite wird für Löhne und damit für Konsumausgaben verwendet, und damit der entsprechende Teil der Kredite relativ kurzfristig wieder getilgt. Dieser Teil des Geldvermögens wird schlechthin als Geld bezeichnet. Der andere Teil der für Investitionen verwendeten Kreditaufnahmen der Unternehmen bleibt aber langfristig bestehen, da ja die Investitionen erst in längerer Frist abgeschrieben werden.
Die diesen Forderungen der Bank nun gegenüber stehenden Verbindlichkeiten bilden im allgemeinen Sprachgebrauch das Geldvermögen. Normalerweise findet auch hier eine Umwälzung von Alt auf Neu statt, dies aber mit Zeitverzögerung. Zu einer Akkumulation von Geldvermögen kommt es dabei allein mit der Maßgabe, als die neuen Kredite höher sind als die alten. Dieses Wachstum der Kredite und damit der Nachfrage ist ja erforderlich, um die schon fertigen Produkte zu einem Preis höher als die ursprünglichen Kosten verkaufen zu können.

Zusammengefasst: Geldvermögen entsteht überall dort, wo Kredite für Investitionen aufgenommen werden. Werden im Laufe der Zeit die alten Kredite mit der Aufnahme von neuen Krediten nicht getilgt, kommt es zu einer Akkumulation der Schulden. Und damit als Reflex zur Akkumulation von Vermögen. Diese Umstände sind bislang bei der Aufnahme von Krediten durch den Staat praktisch gegeben.

Fazit: Der Staat trägt durch das deficit spending zum starken Wachstum des Geldvermögens bei. Das gleiche gilt für Kredite, die sich dann später als uneinbringlich erweisen. So lange Kredite wegen Uneinbringlichkeit stehen bleiben und akkumulieren, kommt es zwangsläufig auch zu einer Akkumulation von Verbindlichkeiten der Bank – also von Geldvermögen.


3.

All die Vorschläge mit dem Ziel, die in eine Schieflage geratenen Banken von staatlicher Seite her so zu unterstützen, so dass sie wieder ordnungsgemäß bilanzieren können, haben – wie schon festgehalten - eines gemeinsam: Die Aufnahme von Krediten bei den Banken durch den Staat. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Bank verstaatlicht wird. Auch in diesem Fall muss der Staat Kredite bei den Banken aufnehmen, um die Eigentümer bzw. Aktionäre der Bank zumindest mit dem gegenwärtigen Kurs zwangsweise abzulösen.
Wobei der Staat wiederum seine rechtliche Kreditwürdigkeit nützt, wiewohl er die faktische meist nicht erfüllen kann.
Nur vermittels dieser rechtlichen Kreditwürdigkeit kann aber der Staat auf die Bilanzen der Banken so Einfluss nehmen, dass diese ordnungsgemäß abgeschlossen werden können und der Gang zum Handelsgericht erspart bleibt. Hierfür aber müsste nun der Staat bei den Banken keine Kredite aufnehmen. Vielmehr kann er selbst die Papiere begeben, die seine Haftung dokumentieren und bei entsprechender technischer Ausgestaltung auch die Zahlungsmittelfunktion rechtlich und technisch erfüllen.
Diesbezüglich haben wir bereits – noch unter anderen konjunkturellen Voraussetzungen - den Vorschlag der Emission von Steuergutschriften (Taxos) ausgearbeitet. (www.taxos.info)

Gerade in der derzeitigen Notlage der Banken öffnet sich ein Zeitfenster, welches die Einführung der Taxos begünstigt und den Widerstand der Banken schwinden lässt. Der Staat kauft sich – wie bereits vorgeschlagen - in die Banken zur Verbesserung deren Eigenmittelausstattung ein. Aber nicht mit bei den Banken selbst aufgenommenen Geld, sondern mit Taxos. Die Bank hält damit Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat in Form von Taxos, die sie vorerst einmal bei Zahlungen an den Staat verwenden kann. Und da nun auch die Bankkunden mit der Zeit lernen, dass sie ihre Steuern und Abgaben mit Taxos begleichen können, sind auch sie bereit, einen Teil der Zahlungen an sie in Form von Taxos entgegen zu nehmen.
Außerdem könnte für den Fall, dass eine konkrete Bank in das mehrheitliche Eigentum das Staates kommt, so gleich deren Infrastruktur zum weiteren Ausbau dieses Vorschlages verwendet werden und müsste nicht erst aufgebaut werden.

Damit aber wäre auch ein erster Schritt zur Schaffung eines zum Geld parallelen Zahlungsmittels getan, das unabhängig vom Bankensystem und dessen Wohlergehen ist. Vielleicht reicht noch die Zeit, damit eine Institution soweit wirksam werden zu lassen, dass ein Absturz des Geldsystems ins Bodenlose verhindert werden kann.


4.
Schuld an der Finanzmarkkrise ist – so der allgemeine Tenor – der Neoliberalismus, der die Regulierung der Finanzmärkte weitgehend beseitigt, sie liberalisiert hat. In Zukunft müssten deshalb wieder strengere Regeln aufgestellt und ihre Einhaltung kontrolliert werden.

Dass die gängige Praxis gescheitert ist, wissen wir nun. Was wir allerdings nicht wissen, ist, wie die Entwicklung gelaufen wäre, wenn die Regulative nicht beseitigt, sondern vielleicht sogar verstärkt worden wären. Es scheint ja nicht allein die viel zitierte Habgier zu sein, die zu einer Aufblähung der Finanzmärkte geführt hat. Hier wird die Ansicht vertreten, dass unsere Kreditwirtschaft eine ständige Ausdehnung der Kredite in der Zeit braucht (www.ernst-dorfner-1.blogspot.com), damit überhaupt gesamtvolkswirtschaftlich Gewinne geschrieben und Zinsen bezahlt werden können. Dieses Kreditwachstum ist aber schon vor Jahren durch eine zunehmende Sättigung der Gütermarkt schwächer worden. Hier taten sich nach der Globalisierung der Gütermärkte dann die Finanzmärkte auf, die eine Sättigung nicht oder noch nicht kannten.

Entgegen der herkömmlichen Meinung, dass die Finanzmärkte die Nachfrage von den Realgütermärkten hin zu den Finanzmärkten abgezogen haben, wird hier das Gegenteil vertreten. Nämlich, dass die Finanzmärkte die reale Wirtschaft gestützt und befördert haben. Mit dem Anwachsen des privaten Finanzvermögens einher ging auch eine positive Stimulierung der private Nachfrage vor allem in den oberen Preissegmenten. Das Geld saß lockerer. Darauf deutet ja die gegenwärtige Entwicklung hin, in der es zu einer Umkehrung der Situation kam. So folgte der Kreditkrise - mit dem Zusammenbruch der lockeren Kreditfinanzierungen - die Krise der Realwirtschaft nahezu im Gleichschritt.
So scheint es auch nicht gesichert, dass eine strengere Regulierung der Kredite und damit der Finanzmärkte einen positiven Einfluss auf die Realwirtschaft hat. Genau so ist ein negativer Einfluss möglich.

Aus dem heraus ergibt sich nun die Ansicht, dass der von Keynes vertretene Gedanke, demzufolge er „darauf gefasst (ist), dass der Staat, der die Grenzleistungsfähigkeit der Kapitalgüter auf lange Sicht und auf der Grundlage des allgemeinen sozialen Wohls berechnen kann, eine immer wachsende Verantwortung für die unmittelbare Organisation der Investition übernehmen wird“ nicht nur einen Ausweg aus der Depression ist, sondern bei zunehmender Sättigung der Realgütermärkte eine ständige Aufgabe für den Staat bleibt. Gleichermaßen könnte dies bei Investitionen für die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen notwendig werden, ist doch dort zu berücksichtigen, dass Skalenerträge nicht wirksam werden können. Die steigenden Investitionskosten bei im Wettbewerb sinkenden Stückpreisen werden durch Erhöhuder Produktionsmenge - und damit den Skalenerträgen - hereingespielt. Nachhaltigkeit verlangt nun auch hohe Investitionskosten, jedoch bei sinkender Produktionsmenge, was zu ansteigenden Stückpreisen und zur Minderung der Wettbewerbsfähigkeit nachhaltiger Produkte führt. Dies könnte durch Beteiligung des Staates an den Investitionskosten in Form von Steuergutschriften (Taxos) ausgeglichen werden.


Ernst Dorfner
Linz, 05.02.09

Montag, 2. Februar 2009

Der Atem der Ökonomie


Muss der Staat die Organisation der Investitionen übernehmen?



In der Financial Times Deutschland vom 04.12.2008 meint Heiner Flassbeck, Chefvolkswirt der Unctad in Genf :
„Es ist Zeit für ein großes Konjunkturprogramm. Wenn Deutschland nicht gegensteuert, drohen Jahre der Stagnation und Deflation.“
Und weiter unten dann:
So wenig Sachverstand in gesamtwirtschaftlichen Fragen war noch nie. Samuel Brittan, der Doyen der Leitartikler in der Financial Times, schrieb vergangene Woche, es werde oft gefragt, wo das Geld herkomme, um die Konjunktur anzuregen und die Deflation zu bekämpfen. Die Antwort sei einfach: Es kommt aus den Druckereibetrieben der Bank von England, woher sonst? Die Zentralbank druckt es, die Banken verteilen es, und der Staat nimmt es und gibt es aus, weil alle anderen im Moment Angst vor der Zukunft haben. Nur so kann man verhindern, dass Deutschland und Europa ein deflationäres japanisches Jahrzehnt vor sich haben. Wann wird der erste Verantwortliche in Deutschland das verstehen?

Und am selben Tag Die Presse:
„Trotz dieses „extremen“ Rettungsprogramms werden die Industriestaaten um eine „schwere und lange Rezession“ wohl nicht herumkommen. DWS rechnet offiziell mit einem BIP-Rückgang von 1,6 Prozent in den USA und 1,3 Prozent in der Eurozone im kommenden Jahr. Diese Vorschau dürfte aber deutlich zu optimistisch sein, denn in den vergangenen Wochen habe sich die Konjunktur „in einer Weise eingetrübt, wie man das noch nicht gesehen hat“, meint Sieghart. In einigen Branchen gebe es „Herzstillstand“, Auftragseingänge seien praktisch zum Erliegen gekommen.
….. Das Hauptproblem, nämlich die „Verstopfung“ des Geldkreislaufs, ist noch lange nicht behoben. Die Notenbanken haben zwar unglaublich viel Geld in den Bankenkreislauf gepumpt, aber die Geldinstitute stecken dieses Geld nicht in Kredite für die Wirtschaft, sondern legen es wieder bei den Notenbanken an. Die Bankeneinlagen bei der amerikanischen Fed sind seit August dieses Jahres von rund 20 auf fast 600 Mrd. Dollar hochgeschnellt, die Einlagen der Euroland-Banken bei der EZB schossen von nahe Null auf mehr als 200 Mrd. Euro hoch. Erst wenn dieser Knoten „entwirrt“ sei, werde auch die Realwirtschaft wieder funktionieren. Das könne aber noch dauern.“

Josef Urschitz befürchtet in Die Presse vom 10.12.08, dass viel Geld bei der EZB verschimmelt. Denn „ein tieferer Blick in die Notenbank-Statistiken zeigt das Problem: Die Einlagen der Banken bei den Notenbanken, die seit Menschengedenken auf relativ niedrigem Niveau liegen, sind seit dem Sommer gigantisch explodiert. Bei der EZB von rund 20 auf fast 300 Milliarden Euro. Zu Deutsch: Die Banken nehmen die Milliarden von Notenbanken und Regierungen – und legen sie gegen Zinsen gleich wieder sozusagen aufs EZB-Sparbüchel, statt was Vernünftiges damit zu machen.“
So weit einige Zeugnisse an ökonomischen Sachverstand. Dementsprechend dürfen die „Konjunkturprogramme“ beurteilt werden. Sie zeugen von mangelnder bis falscher Einsicht in die Zusammenhänge, sind mehr Zufallsprodukt denn Ergebnis gründlicher Überlegungen.
Denn
1. so einfach geht das nicht mit der Bereitstellung von Geld, wie der Chefkommentator der FT meint;
2. was sollen die Banken mit dem Bargeld machen, das zur Abwendung eine Banken-Runs bereitliegt, jedoch zum Glück hierfür bisher nicht gebraucht wurde. Die Vorstellung, dass Kredittransaktionen bar im Geldkoffer abgewickelt werden, ist aberwitzig. Sie erfolgen bargeldlos. Wobei der Kredit einfach durch Verlängerung der Bankbilanz entsteht. (Hier liegt ja die Ursache der Krise: Dieses Verlängern wurde missbraucht.)
3. Der Kreislauf des Geldes wird gerne mit dem Kreislauf des Blutes verglichen. Dieser bezieht sich aber auf ein Trägermedium: Das mit Sauerstoff angereicherte Blut strömt vom Herz in alle Körperteile, gibt diesen dort ab und transportiert das mit Kohlenstoffdioxyd angereicherte Blut zurück zum Herz und von dort in die Lungen Sauerstoff wird durch das Einatmen zugeführt, so wie das Kohlenstoffdioxyd durch das Ausatmen weggeführt wird. Atmen heißt also einatmen und ausatmen.

Kehren wir zum Geld zurück. Die allgemeine Vorstellung von Geld ist: Geld ist da, und bleibt auch da. Oder wird ganz einfach von den Zentralbanken gedruckt und dann von den Banken flott verteilt. Das heißt dann auch: Ganz gleich, was mit dem Geld geschieht – außer Verbrennen -, irgendwo ist es, irgendwo muss es sein, irgendwer muss es haben. Dort ist dann anzusetzen.
Dem aber ist nicht so: So wie der Sauerstoff durch das Einatmen in den Körper kommt, kommt Geld erst über Verschulden durch Kreditaufnahmen in den Wirtschaftskörper. Wir haben ein Kreditgeld. Und leben in einer Kreditwirtschaft. Geld geht aus dem Kredit, geht aus Verschuldung hervor. Jeder Monatsbericht der Bundesbank beweist das. Alles Geld scheint in der Bankenbilanz als Verbindlichkeit auf der Passivseite auf. Auch das Bargeld. Jeder dieser Verbindlichkeiten stehen Kreditforderungen der Banken, jedem Euro steht eine Schuld gegenüber. Geld ist also nicht einfach da. Es entsteht durch Verschuldung, und verschwindet wieder durch Entschuldung.
Die Kreditaufnahme erfolgt vorzüglich durch Unternehmen. Der Kredit ermöglicht ihnen dann erst das Produzieren in der Eigentumsgesellschaft. Mit Geld wird der Zugang zu fremden Eigentum verrechtlicht. Auch der Zugang zur Lohnarbeit über Arbeitsverträge. Und so wie Geld eben nicht von vorneherein da ist, bleibt es in weiterer Folge auch nicht da. Die Unternehmen sind ja stets bemüht, ihre Schulden so rasch wie möglich wieder zu tilgen. Darum wollen und müssen sie ihre Produkte gegen Geld verkaufen, mit dem sie die Schulden tilgen können.
Geld läuft also gar nicht um. So wie das Blut. Geld ist nicht Trägermedium, sondern das, was getragen wird. Wie der Sauerstoff und das Kohlenstoffdioxyd. Das Verschulden entspricht dem Einatmen, das Entschuldung dem Ausatmen. Und so wie Einatmen und Ausatmen nicht nur einmal, sondern fortlaufend erfolgen müssen, so muss auch im Wirtschaftskörper ein fortlaufender Verschuldungs/Entschuldungsprozess ablaufen.

Dieser Prozess bekommt seine Zeit übergreifende Dynamik durch eine Vielzahl von Teilnehmern: Mit Kreditaufnahmen und damit Verschuldung der einen heute, wird es anderen durch
die Bezahlung ihrer Ware oder Leistung mit dem daraus hervorgehenden Geldes möglich, sich wieder von den schon früher gemachten Schulden zu befreien. Der Markt, angetrieben durch den Gewinn, übernimmt hier die Organisation der Investitionen, deren Voraussetzung das Vertrauen in die zukünftigen Erwartungen ist. Hierzu braucht es wiederum das Vertrauen, dass die vielfältigen Erzeugnisse von heute in allen Ebenen der Produktionshierarchie – vom Abbau des Eisenerzes über dessen Verhüttung bis hin zum Brot, zu dessen Herstellung neben vielem anderen auch Stahl im Mähdrescher oder Backofen gebraucht wird – sich dann später immer wieder sinnvoll zu einem Ganzen zusammenfügen lassen.

Aus dieser Sicht der Zusammenhänge müssten die Konjunkturprogramme entwickelt werden. Diese würden dann aber sicher anders aussehen als die derzeitigen oft sehr naiven Vorschläge. Insbesondere gilt dies für den Hauptvorschlag, dem staatlichen deficit spending.

Ich bin darauf gefasst, dass der Staat eine immer wachsende Verantwortung für die unmittelbare Organisation der Investitionen übernehmen wird“ schreibt John M. Keynes 1935 in seiner „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Geldes und des Zinses“. Er schreibt nicht von einem deficit spending, sondern von der „unmittelbaren Organisaton der Investitionen“.
Wenn nun aber der Staat die Organisation der Investitionen übernehmen soll, dann muss er sich bemühen, diesen Investitions-Prozess in seiner Gesamtheit nachzubilden. So wie die Herz-Lungenmaschine nicht nur das Einatmen ersetzt, sondern auch das Ausatmen, muss auch der Wirtschaftskörper weiter ein- und ausatmen. Es muss neben dem laufenden Verschuldungsvorgang ein laufender Entschuldungsvorgang stattfinden. Es wird so laufend Geld in den Wirtschaftskörper fließen und von dort auch wegfließen. Wenngleich letzteres mit einer bestimmten Zeitverzögerung erfolgt, während welcher ein Sickerungsprozess in der ganzen Wirtschaft erfolgt.

Die Organisation der Investitionen manifestiert sich so in drei Punkten:
• Die Bereitstellung von ausführungsreifen Investitionsprojekten mit allen behördlichen Genehmigungen;
• Die Aufnahme von Krediten für diese Investitione und deren Realisierung;
• Die spätere Tilgung der für die Investition aufgenommem Kredite.


Hier nun gilt es den Einwand vorwegzunehmen, was denn das für einen Sinn macht, Geld in den Wirtschaftskörper einzubringen und fast zugleich wieder in etwa der gleichen Größe herauszuziehen? Was soll dieses Nullsummenspiel bringen?
Dem ist leicht zu begegnen, passiert doch dieses laufend. Auch in den vom Markt organisierten Investitionen bleibt ja das aus den Krediten hervorgehende Geld nicht ein für allemal im Wirtschaftskörper. Alle Unternehmen – und sonstigen Kreditnehmer – können ja das eingenommene Geld nicht für sich behalten, sondern müssen es an die Kreditgeber, die Banken, zurückzahlen. Das halten alle, wenngleich vielleicht auch widerwillig, für selbstverständlich.

Und es ist nur insoweit ein Nullsummenspiel, was die Höhe des eingesetzten Geldes betrifft nicht aber die dadurch erzielten Vorgänge. Das eingesetzte Geld fließt nicht an eine bestimmten Stelle in den Wirtschaftskörper, und dort wieder heraus. Der Kreditnehmer zahlt ja mit dem Geld nicht die eigenen Schulden, die eben erst entstanden sind. Das Geld fließt zu anderen Schuldnern, und ist so lange da, bis es andere Schulden tilgt. Es fließt so durch den ganzen Wirtschaftskörper und führt im ganzen Körper zu Aktivitäten und zu Einkommen.

Diese Vorgängen sind nachzubilden, wenn der Staat die Organisation der Investitionen übernimmt. Nimmt er dazu Bankkredite auf, so muss auch er diese Schulden, die für Leistungen an oder für die Gemeinschaft anfallen, so rasch als möglich tilgen. Die Bankkredite führen vorerst aber zu neuen oder zusätzlichen monetären Einkommen. Damit wird die für die Gemeinschaft erbrachte Leistung vorerst doppelt abgegolten: In monetärer Form und in Form eines Naturallohnes, der sich in der Nutzung der von der Allgemeinheit erbrachten Leistungen und Einrichtungen niederschlägt, so lange deren Nutzung kostenlos ist. Diese Solidarleistung kann dann über die ganze Gemeinschaft nicht noch zur Mehrung des individuellen Geldeinkommens führen. Diese Mehrung ist, verteilt über die ganze Gemeinschaft, wegzusteuern. Damit kommt auch denen ein Geldeinkommen zu, die individuell für die Gemeinschaft arbeiten. Insgesamt haben aber alle mehr aus der nicht verschwendeten Leistung der ansonst Arbeitslosen.

Hier sollte nun auch klar sein, dass die Konjunkturprogramme aus dieser Sicht der Zusammenhänge sich deutlich von den bisher vorgeschlagenen unterscheiden. In denen werden die vom Staat aufgenommenen Bankkredite nicht rasch getilgt – praktisch überhaupt nicht, und führen zu immer höheren Zinszahlungen.
Der gedankliche Ausgangspunkt hierfür ist, dass Geld einfach vorhanden ist, und es „nur“ zu einer Verstopfung des Geldkreislaufes gekommen ist. Die aufgenommenen Kredite greifen dabei auf das vorhandene Geld zurück, und führen es dorthin wieder zurück. Es wird also für kurze Zeit nur eine Umleitung gemacht. Man nimmt sich allerdings vor, in Zeiten des Booms etwas von diesem vorhandenen Geld abzuzweigen, um die Schulden zu bezahlen.

In der derzeitigen Finanzmarktkrise ist es deutlich geworden, dass das Vertrauen in die Banken nicht einfach diesen immanent ist, sondern letztlich vom Staat als lender of the last ressort getragen wird. Es mutet daher mehr als eigenartig an, dass der Staat verzinsliche Kredite von eben diesen Banken aufnimmt, denen er selbst erst wieder Kredit - Vertrauen – zugeführt hat. (Nicht zuletzt in dem Fall, dass er ihre Eigenkapitalbasis durch Zuführung des Geldes stärkt, das er eben über einen Bankkredit bereitgestellt hat.)
Unsere Vorstellung ist deshalb die, dass ja der Staat aus sich selbst heraus schon jenen Kredit hat, der ein Zahlungsmittel erst zu diesem macht. In diesem Sinn ist ein Vorschlag zur Einführung von Steuergutschriften – Taxos – bereits ausgearbeitet. Wir müssen die Kirche nicht um das Kreuz tragen.

Politisch gesehen, wäre derzeit ein Einstieg in ein solches System aber mit einer zusätzlichen Verunsicherung der Menschen verbunden. Praktisch braucht es diesen Schritt vorerst nicht. Die oben beschriebene Organisation der Investitionen durch den Staat ist auch schon ohne Einführung der Taxos zu machen.

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Dienstag, 9. Dezember 2008

Deficit spending PLUS profit collecting

DI Ernst Dorfner
Initiative Taxos
Tel. 0732 672275

Linz, Juli 2006


Herrn LHStv. DI Erich Haider
Vorsitzender der SP OÖ

Lieber Erich!

Vor mir liegt das von Dir mit herausgegebene Buch

„Besser als Neoliberaismus: Solidarische Wirtschaftspolitik“,

dessen Intentionen ich begrüsse. Ich setze mich seit mehr als 20 Jahren mit den Verirrungen des ökonomischen Mainstreams, der nahezu ausschließlich die Lehrmeinung der Neoklassik vertritt, auseinander. So habe ich auch schon seit langer Zeit kundgetan, dass das, was heute unter dem Titel „Neoliberalismus“ firmiert, kaum etwas anderes ist als die Anfang der 1930-iger Jahre vor allem in Deutschland praktizierte Spar- und Austeritypolitik eines Reichskanzler Heinrich Brüning. Ihre theoretische Begründung fand dies damals in den Schriften eines Cecil A. Pigou, der in seiner Arbeit „ The Theory of Unemployment“ (1933) die Meinung vertrat, die Ursache der Arbeitslosigkeit läge in einem Verfehlen des gesamtvolkswirtschaftlichen Gleichgewichtes zwischen Löhnen und Profiten. Hans-Werner Sinn hält das heute immer noch für richtig.

Dem ist damals John M. Keynes mit seiner „General Theory of Unemployment, Interest and Money” entgegengetreten.

Das, was nun die Autoren von „Solidarische Wirtschaftspolitik“ vertreten, ist eine Neuauflage des Keynesianismus. Dem wird aber – politisch von der konservativen Gegenseite offensichtlich sehr erfolgreich – die immer höher werdende Verschuldung des Staates entgegengehalten, welche „die zukünftigen Generationen unzumutbar belastet“. Aus dem heraus leitet sich dann das Verlangen nach einem schlanken, sparsamen Staat ab, dem die Autoren und mit ihnen die SPÖ nun auch mit der Veröffentlichung des Buches entgegentreten wollen.

„Dabei müssen wir immer wieder feststellen, dass der mikroökonomische Blick¬winkel nicht ausreicht. Genau diese Diskrepanz zwischen einzelwirtschaftlich ver¬nünftigen, aber gesamtwirtschaftlich schädlichen handlungsleitenden Prinzipen ist ein zentrales Thema unseres Buches“ (S. 8) heißt es im Vorwort. Dieser Meinung kann ich mich nur anschließen. Es braucht auch und vor allem der makroökonomischen Analyse, welche die Neoklassiker im Glauben auf den heilenden Eingriff der „invisible hand“ des Adam Smith einfach negieren.
Darum bin ich auch mit den Autoren der Ansicht, dass es des Eingriffs des Staates braucht, um in einer immer komplexer werdenden Welt erkennbare Markierungen zu schaffen, die die unternehmerischen Tätigkeiten leiten. Die Meinung von Keynes: „Ich bin darauf gefasst, dass der Staat ...... eine immer wachsende Verantwortung für die unmittelbare Organisation der Investition übernehmen wird“ hat in Zeiten der Globalisierung immer noch und umso deutlicher ihre Gültigkeit. Zum Ausdruck gebracht habe ich das auch in einem Kommentar zum Dialog-Forum Hirschwang unter dem Titel „Spielraum Staat – Staat ohne Spielraum.“ (www.sosmoney-edorfner.blogspot.com)

Die Autoren treten aber in ihrer Kritik dort zu kurz, wo es nicht nur um Glaubenssätze der Neoklassik, sondern um deren theoretischen Grundlagen geht. Diese beschreiben unsere Wirtschaft als Tauschwirtschaft, und Geld als Tauschmittel, das den Tausch von fertigen Produkten vereinfachen hilft. Wie allerdings diese zu tauschenden Produkte hergestellt werden, was dazu in einer Gesellschaft mit privatem Eigentum vorauszusetzen ist, dazu finden sich Aussagen in der neoklassischen Theorie erst nachrangig in der weiteren Ausformulierung, nicht aber bereits im Grundsätzlichen.

Diese Lehrmeinung der Neoklassik wird nun auch von denn Autoren nicht hinterfragt, womit diese offensichtlich für sie weiterhin Gültigkeit hat. Das ist nun aber deshalb so erstaunlich, weil sie sich ja recht intensiv mit Unternehmensbilanzen beschäftigen, aus denen doch deutlich werden müsste, dass dem nicht so ist. Und sie selbst auch wie selbstverständlich von etwas ganz anderem ausgehen, wie zwischen den Zeilen immer wieder erkennbar wird.

Ihre Überlegungen führen zunächst einmal zu folgender Aussage:
„Die einzig mögliche Schlussfolgerung aus den Unzulänglichkeiten der Kameralis¬tik sowie der Verschuldungskennzahlen muss die Forderung nach einem doppischen Rechnungswesen der öffentlichen Hand sein. Durch eine konsistente Bewertung der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit kann einerseits die „Schuldendebatte" in eine wesentlich aussagekräftigere Debatte über die öffentliche Eigenkapitalquote übergeleitet werden. Andererseits eröffnet sich die Möglichkeit, auch eine „Konzern¬bilanz" der gesamten öffentlichen Aktivitäten zu erstellen, womit trotz umfassender Ausgliederungen öffentlicher Leistungserbringung ein Gesamtbild staatlicher Aktivi¬täten erreicht werden kann.“ (S. 69ff)

Damit wird nun aber verlangt, gewissermaßen des Herzstück des Kapitalismus, nämlich die Bilanz des kapitalistischen Unternehmens, auch für den Staat zu übernehmen.

Wenn die Autoren schreiben „Kaum ein Unternehmen hat des gesamten Anlage- und Umlaufvermögen durch Eigenkapital finanziert. Die Summe der Vermögenswerte eines Unternehmens - die Aktiva - determinieren die Bilanzsumme. Die Passivseite der Bilanz gibt an, wie diese Aktiva finanziert sind und unterscheidet in erster Linie zwischen dem Eigenkapital, das auch als Verbindlichkeit des Unternehmens an die Gesellschafter charakterisiert werden kann, und dem Fremdkapital, also den Verbindlichkeiten gegenüber Banken und sonstigen Gläubigern beziehungsweise den Rückstellungen für zukünftig erwar¬tete Verbindlichkeiten“ (S. 66), dann sagen sie hier erstaunliches. Und stützen im Sinne der Neoliberalen eine "Vermögensillusion". Frage: Hat das Unternehmen überhaupt Vermögen, wenn diesem gleich hohe Verbindlichkeiten - Schulden -- gegenüberstehen? Ist das Unternehmen nun reich oder arm?
Und: Was ist dieses Vermögen überhaupt? Ist es Vermögen in sich selbst, also intrinsches Vermögen? Der Blick in jede Bilanz macht das rasch zunichte. Die Bilanz 2005 der voest-alpine weist bei einer Bilanzsumme von € 5.355 Mill. ein Vermögen aus Forderungen in Höhe von € 1.110 Mill. aus. Vermögen demnach Schulden anderer. So aber wie das „erhofftes Geld“ ist, beruhen auch die anderen Vermögenspositionen auf Hoffnungen auf Geldeinnahmen beim möglichen Verkauf. Und zwar auf Geldeinnahmen, die höher sind als die Geldausgaben ehedem: „Kaufen, um teurer zu verkaufen“. (K. Marx)

Dieser Meinung wird ja gerade nicht widersprochen, wenn die Autoren schreiben:
„In der Doppik ist der Jahresgewinn der durch Betriebsvermögensvergleich festge¬stellte Unterschiedsbetrag zwischen dem Eigenkapital am Ende und zu Beginn des Wirtschaftsjahres. Werden Vermögenswerte (Anlagen, Immobilien, Beteiligungen) angeschafft oder zu Buchwerten verkauft, so hat das keinen Einfluss auf den Jahresge¬winn, weil dem Geldfluss ein Vermögenszugang oder -abbau gegenübersteht.“ (S. 69)

Mit dem Verkauf wird ja nur bestätigt, was vorher mehr oder minder richtig als monetärer Vermögenswert buchhalterisch angesetzt wurde. Auf diesen Verkauf allein ist ja der Vermögenserwerb ausgerichtet: Aus Geld mehr Geld zu machen. Und wenn die Hoffnung – die Keynes’sche zukünftige Erwartung – groß genug ist, „kaufen, um teurer verkaufen zu können“, dann werden sich die Unternehmen auch zusätzlich über Kredite verschulden: „Die Eigenkapitalquote dieser Unternehmen ist zwischen 2003 und 2004 gestiegen. Trotzdem haben sich diese Unternehmen zwischen 2003 und 2004 auch zusätzlich neu verschuldet, um das gestiegene Unternehmensvermögen und die damit zusam¬menhängende Erweiterung der Geschäftstätigkeit finanzieren zu können, nämlich von knapp 23 auf 26,2 Milliarden Euro“ (S. 68)

Die Unternehmensbilanz ist nun ein Statusreport, also etwas statisches, hinter dem sich aber sehr viel Dynamik verbirgt: Die Aktiva wachsen nicht nur von Jahr zu Jahr an, es sind auch andere geworden, ebenso wie sich die Passiva durch Tilgung alter und Aufnahme neuer Kredite verändern. Das heißt: Es geht den Unternehmen nicht um die Akkumulation von handfestem Besitz, von den Menschen dienenden Gütern und Anlagen, sondern um die Akkumulation von gegen Geld veräußerbarem Eigentum. Das aber braucht Bewegung, die dann auch im anderen Teil des Geschäftsberichtes, der GuV-Rechnung, deutlicher erkennbar wird.

Um was es hier geht, ist, um es mit Aristoteles zu sagen, Kremastitike, Krämerwirtschaft. Es geht um den Gewinn, den Profit der ganzen Unternehmung. Diese Gewinnrechnung soll muss aber nach dem Verlangen der Autoren nun auch gesamtvolkswirtschaftliche betrachtet werden.

Wenn in der GuV-Rechnung der Jahresgewinn als Überschuss der Erträge über die Kosten ausgewiesen wird, dann stellt sich nämlich makroökonomisch die Frage, wie denn nun die konsolidierten Erträge aller Unternehmen höher sein können als deren Kosten? Wie geht das, was offensichtlich geht? „Die Frage ist nicht: Wo kommt der Mehrwert her; sondern, wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern?“ schreibt K. Marx.

Des Rätsels Lösung liegt einmal darin, dass die Ausgaben für längerfristige Investitionen bei den Verkäufern des Investgüter sofort buchwirksam werden, während die Kosten bei den Investierenden erst nachträglich über Jahre als Abschreibungen verbucht werden. Und liegt darin, dass ein maroökonomisch positiver Gewinnsaldo nur dann entstehen kann, wenn die Wirtschafts wächst, also von Jahr zu Jahr mehr investiert wird. Und so die Gesamtschulden wachsen.

Genau um die Geldmacherei geht es dem Staat und seinen Gebietskörperschaften primär nicht. Hier geht es um Oikonomike, Haus- oder Versorgungswirtschaft. Es geht um die Ansammlung von Manifestem, nutzbarem Besitz im Eigentum der öffentlichen Hand, mit dem der ganzen Gesellschaft Dienste geleistet werden können. Darum schreiben ja auch die Autoren: „Wenn auf gesamtwirtschaftlicher Ebene der Staat als wirtschaftspolitisch Verant¬wortlicher ein Investitionskalkül für seine Budgetpolitik .. anstellen soll, müsste er gesellschaftliche Nutzen (Outcome, gesellschaftliche Wohlfahrt) anstelle von Markterlösen und gesellschaftliche Kos¬ten (Gemeinschaftskosten zusätzlich zu den Marktkosten) kalkulieren.“ (S. 73)

Von der Frage, wie das aber nun gehen soll, ob mit der Bewertung gesellschaftlichen Nutzens Bankforderungen bedient werden können, wird mit der nachfolgenden Polemik abgelenkt.

Genau diese offene Frage aber ist der schwache Punkt der Überlegungen. Die Investitionsrechnung kann solange nicht angestellt werden, als das monetäre Deficit spending nicht durch ein monetäres Profit collecting ergänzt wird. Heute werden ja hier viele doppelt entlohnt: Einerseits mit ihrem Anteil am gesellschaftlichen Nutzen der staatlichen Investitionen, andererseits auch noch mit zusätzlichen Geldeinkünften. Das aber kann nicht solidarische Wirtschaftspolitik sein. Der gesellschaftliche Nutzen des von der Dorfgemeinschaft gemeinschaftlich errichteten Feuerwehrhauses ist zugleich und allein der Lohn für all die hierfür geleistete Arbeit.

Mit der verlangten Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik ist deshalb noch nichts gewonnen, so lange nicht auch eine GuV-Rechnung aufgemacht werden kann. Zumindest eine mit einem Null-Gewinn. Die Bilanz verkommt sonst zu einer reinen Auflistung von Erwerbungen und diesen gegenüberstehenden Schulden. Die Schulden bleiben aber trotzdem Schulden, weil „das Haus, in dem wir wohnen, eben nicht zum Verkauf steht“. So liest es sich wie eine Ausflucht, wenn darauf hingewiesen wird, der Staat wäre der beste Schuldner. Staatsschulden stellen ja gemäß ihren Worten „vergleichsweise sichere Vermögenswerte für private Finanzanlegerinnen dar und erfreuen sich hoher und Nachfrage, wenn das Anlageverhalten auf sicheres Ansparen statt auf riskante und potenziell hoch profitable Spekulationsgewinne ausgerichtet ist.“ (S.72)

Hier wird Marketing für die Veranlagung in Staatspapieren betrieben, aber gerade nicht solidarische Wirtschaftspolitik. Die Autoren selbst stellen ja fest, „dass Staatsverschuldung Umverteilung von Steuerzahlerinnen zu Rentiers (FinanzvermögensbesitzerInnen) bedeutet.“
Doch wird mit der Aussage „Sollen die auf Grund der Staatsverschuldung bestehenden Zinszahlungen nicht durch Aufnahme weiterer Staatsschulden finanziert werden, dann haben die Zinsen aus den Abgabeneinnahmen bezahlt zu werden. Die Zinsenzahlungen des Staates stellen dann Zinseneinkommen für die Rentiers dar“ (S.72) einmal mehr zu kurz gegriffen. Denn es geht nicht nur um die vorhandenen Ersparnisse, die in Staatspapieren zinstragend angelegt werden. Es geht auch um das aus Krediten neu geschöpfte Geld. Stets aber bleiben die Schulden beim Staat hängen, während mit dem daraus hervorgehenden Geld erst einmal die Kredite und Zinsen der aufgenommenen Kredite der Unternehmen bedient, darüber hinaus aber auch noch Gewinne verbucht werden können.
Der Staat betreibt auf diese Weise Umverteilung zu den Unternehmen, weil sonst deren GuV-Rechnung nicht aufgeht. Deshalb gilt ja Keynes als Retter des Kapitalismus

Das vorgeschlagene deficit spending & profit collecting ist nun auch mit unserem heutigen weltweit akzeptierten Kreditgeld möglich. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass die einzelstaatlichen Maßnahmen in der globalisierten Wirtschaft verpuffen. Anders ist das, wenn der einzelne Staat mit Steuergutschriften zahlt, wie im TAXOS-Vorschlag aufgezeigt wird. (www.taxos.info)

Lieber Erich, mein Schreiben ist für einen vielbeschäftigten Politiker sicherlich zu lange geraten. Es ist aber auch an die Autoren – und Deine Berater - gerichtet, die Dir ja Ihre Meinung dazu mitteilen können. Ebenso aber an Johann Mayr, Klaus Luger, Hubert Hummer und Harald Wildfellner , mit denen ich bei einem Glas Wein bereits vor nahezu einem Jahr recht heftig über dieses Thema – wie mir jetzt aufgeht – diskutiert habe.

Mit liebem Gruß

Ernst